Entrüstet

Entrüstung entmündigt Opfer und Täter, als hätte sie ein Recht dazu. Bert Hellinger

Entrüstete entmündigen Opfer und Täter, als hätte sie ein Recht dazu.

Dieser Satz vom Pionier der Familienaufstellungsarbeit Bert Hellinger begleitet mich seit vielen Jahren.
Aber, wie wichtig ist es Schuld anzuerkennen, Schuldige auf ihre Schuld hinzuweisen? Das rechtschaffende, rechtschaffene Handeln.
Für mich ist es einfach. Ich sehe keine Schuld, Unschuld, das Verlangen auf Anerkennung der Schuld die an „mir“ begangen wurde, die „ich“ begangen habe.
Jesus sagte: wer frei von Sünde ist, werfe den ersten Stein.
Hmmm
Khalil Gibran sagt, in der Nacht kommt die Reue ungebeten.
Rumi meinte: Denn Gnade wird dir, wenn du Gnade übst.
Wahre Vergebung hat nichts mit dem „Anderen“ zu tun. So gnädig du zu anderen bist, bist du zu allererst zu dir selbst.
Bitte, sei nicht gnadenlos! Das ist, glaube es, nicht deine wahre Natur, noch die, des in deinen Augen, Ungnädigsten.
Die Dynamik von Opfer und Täter beginnt nicht bei der Tat. Das Gefühl des Getrennt-Seins, Angst und des „nicht wahrnehmen können“ und der fehlenden Bereitschaft gegenüber anderen in gewissen Situationen Empathie empfinden zu wollen, ist seit Generationen überliefert. Die neuesten Erkenntnisse in der Epigenetik bestätigen das, was man in den alten Lehren vielleicht als Erbsünde bezeichnen könnte.
Wäre dem Menschen bewusst, was er/sie tut, wäre so manches nicht getan.
Wie Ertrinkende schlagen manche um sich, wie verletzte Wesen, die in die Enge getrieben werden, wie Kinder, die statt zu agieren nur reagieren können, so wie sie dies gelernt haben.
Ohne auch nur hinterfragen zu können, ob diese Haltung /Handlung zu meinem Wohl, zu deinem Wohl oder zum Wohle aller ist.
Be- und Verurteilungen, die oft Generationen zurück liegen, finden individuellen Ausdruck. Inzidenzen entstehen, so verschlungen, dass sie manchmal nur schwer oder gar nicht zu erkennen sind.
Mein Sohn sagte einmal, nachdem ich ihn wegen einer (für ihn) Kleinigkeit gerügt hatte (für mich anscheinend auch, sonst könnte ich mich daran erinnern) und meiner Frage, warum er das getan hat : Mama, das ist wegen des Urknalls!
Haben wir wirklich eine Wahl?
Ein Spruch, der mich, seit dem ich Mutter wurde begleitet, lautet : Liebe mich dann am innigsten, wenn ich deine Liebe am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich deine Liebe am meisten.
Bin ich im Reagieren, kann ich mich nicht an diese Wahrheit erinnern. Nur wer ganz bei sich ist, agiert kraftvoll, liebevoll, einend und zum Wohle aller.
Mein kraftvolles NEIN kann man schon mal durch unsere Wohnung hallen hören. Das hat durchaus Wumms! Und die Kids wissen um die Endgültigkeit dieses Neins, so laut oder leise es sein mag. Hinter diesem Nein steht die Liebe, das Wissen um Einssein und dabei getrennte Menschen zu sein mit ganz eigenen Bedürfnissen. Aber, seien wir uns darin einig, ein Eis bei 15 Grad Außentemperatur und kalten Händen ist keine gute Idee.
Menschen, die andere Menschen verletzen, wie auch immer, sind für mich wie kleine unmündige Kinder, die nicht wissen, was sie tun.
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Christus wusste das.
Und vielleicht noch weiter: Der Rechtschaffene ermöglicht erst das Scheitern durch seinen Anspruch. Oder so, wie Khalil Gibran meinte:“Ihr seid der Weg und die Wanderer. Und stürzt einer von euch, so stürzt er um der Folgenden willen, zur Warnung vor dem Stolperstein. Ja, er stürzt auch um der Vorausgehenden willen, die, obgleich schneller und trittsicherer, das Hindernis nicht aus dem Weg räumten.“
Gehen wir doch einen kleinen Schritt weiter und sagen :“ Kein Opfer, kein Täter, nur unbewusstes Agieren aus dem Gefühl des Getrennt Seins heraus.“
Der Verstand entscheidet über Recht und Unrecht, der Verstand sagt, du hast Unrecht, ich hab Recht.(frag den „Anderen“, er wird meistens das gleiche denken)
Das braucht es alles nicht.
Zerbrich dir nicht den Kopf. Niemand kann jemals anders handeln als er/sie handelt. Könnte er/sie es, würde er /sie es tun.
Das Leid der Täter ist oft schwerer zu ertragen als die „gerechte“ Strafe.
Die einzig wirkliche und wirksame „Strafe “ kreiert der Mensch in seinem Inneren. Hier kommt das Mitgefühl ins Spiel, das Mitgefühl für Opfer und Täter.
Für das Grobe haben wir unsere Gesetze, auf die wir uns, in unserem sozialen Umfeld geeinigt haben.
Das heißt nicht, vor Ungerechtigkeit die Augen zu verschließen, den Mund zu halten, wenn es einen dazu drängt sich Gehör zu verschaffen.
Lass es.. vielleicht manchmal und dann immer öfter. .. ein Hingeben und nicht ein Hinnehmen sein.
Ein Leiden-schafft-loses Beurteilen und Leiden-schafft-loses Handeln.
Lass uns doch einfach für die, die es gerade nicht können, der Archetyp der liebenden Mütter und Väter sein: liebevoll annehmen und trotzdem klar handeln auch wenn die Kinder trotzig um sich treten und „ich hab aber Recht“ schreien.
Und manchmal darf man sich einfach auch abwenden und sagen :“Geh mit Gott, aber, geh.“